Bernhard Bichler
Bernhard Bichler
Imkermeister Bernhard Bichler aus Rettenschöss hat sich die Imkerei zur Passion gemacht. Am Standort Kaiserwinkel am Fuße des Kaisergebirges produziert er, eingebettet in weitläufige Natur- und Landschaftsschutzgebiete den wertvollen Honig. Die Standorte für die Bienenvölker werden mit größter Sorgfalt ausgewählt und befinden sich im Umfeld biologisch bewirtschafteter Flächen, wo die Bienen ideale Bedingungen vorfinden. Grundlage für seine unvergleichlichen Produkte bildet eine intakte und ausgeprägte Kulturlandschaft mit Bergbauernhöfen und Almgebieten. Eingriffe von außen auf das Bienenvolk werden auf ein Minimum reduziert. Die Kreislaufwirtschaft hat besonderen Stellenwert: So wird nur am eigenen Betrieb verarbeitetes, naturreines, unbelastetes Bienenwachs verwendet und die Kisten aus dem Holz der eigenen Forstwirtschaft gezimmert. Dies garantiert ein einzigartiges und köstliches Naturprodukt.
Interview von BIO vom Berg
„Ohne Bienen würde Tirol ganz anders aussehen.“
Seine Bienen sind für ihn mehr als Geschäft: Bernhard Bichler hat sich der Bio-Imkerei mit Leib und Seele verschrieben. Im Interview erzählt er, was ihn bei der Arbeit antreibt und warum Bio-Honig aus Tirol so besonders ist.
Bernhard, wir treffen uns in deiner Mittagspause, denn die Zeit ist knapp grade. Wie sieht denn dein Imker-Tag normalerweise aus?
Meistens geht er in der Hochsaison im Sommer von vier Uhr früh bis zehn Uhr abends, bis ich die Kästen und Rähmchen für den nächsten Tag wieder vorbereitet habe. Ich stehe so früh auf, weil es momentan so heiß ist – spätestens um neun muss ich den Anzug schon wieder ausziehen, das halte ich sonst nicht aus.
Trägst du immer Schutzmontur bei der Arbeit?
Nein, normalerweise nicht, ein paar Stiche verkrafte ich problemlos. Aber wir wintern ja diesmal schon um einen Monat früher als sonst die Stöcke ein. Für intensivere Eingriffe am Bienenvolk brauche ich dann meinen Stichschutz schon.
Das heißt, im Juli ist längst wieder Schluss mit dem Honig?
Ja, üblicherweise endet die Honigernte Anfang Juli. Wir hatten schon Jahre, da gab es bis in den September hinein Honig. Das ist mir allerdings gar nicht mal so recht, denn nach einer so langen Saison wären viele Bienen zu schwach für den Winter. Diesmal war der Frühling jedenfalls so warm, dass wir schon Ende April geschleudert haben, das ist irre, denn normalerweise geht es erst Ende Mai los. Hätten wir klassisches, kühles Tiroler Frühlingswetter gehabt, gäbe es dafür Waldhonig, den haben wir heuer gar nicht.
Wie kann das sein? Gibt es bei Hitze im Wald nicht genug Blüten oder Tannenzapfen?
Nein, das läuft ein bisschen anders: Waldhonig ist ja ein Symbioseprodukt und wird gar nicht aus Nektar gemacht – das wissen aber viele nicht. Es gibt stattdessen spezielle Läuse, die am Baum saugen und ein Stoffwechselprodukt erzeugen, den Honigtau. Den wiederum holen sich die Bienen nur, wenn sonst zu wenig Nahrungsangebot ist, und machen daraus unseren Waldhonig. Zur Kategorie Waldhonig zählen aber auch blühende Laubbäume wie Ahorn, Linde oder Kastanie und verschiedene blühende Sträucher wie Himbeeren oder Brombeeren. Du siehst: Alles greift ineinander und hängt am Klima, denn Honig ist ein Naturprodukt. Ein schlechtes Waldhonig-Jahr hat uns übrigens zu unserem wunderbaren Almrosen-Cremehonig gebracht, auf den wir sehr stolz sind. Den haben wir in dem Jahr, als wir „Bio vom Berg"-Lieferanten wurden, nämlich erstmals produziert.
Ihr seid mit der Imkerei Bichler schon seit fast zehn Jahren der Honig-Lieferant für Bio vom Berg, was bedeutet euch diese Zusammenarbeit?
So ein Zusammenschluss von ökologischen Produzenten unter einer starken Dachmarke ist wirklich einmalig, das kenne ich sonst nicht. Ich finde ja, dass alle profitieren, wenn eine Region sich zur Bio-Erzeugung bekennt. Bei uns in der Gegend sind nun auch die letzten beiden Bauern, auf deren Grund wir Stöcke aufgestellt haben, von konventionell auf Bio umgestiegen. Wenn einige Pioniere damit anfangen, zieht das die anderen eben automatisch mit.
Moment mal: Wenn eine Bio-Biene auch auf einem konventionellen Feld wohnen dürfte – was macht Bio-Honig denn dann so besonders?
Hauptsächlich kommt es beim Bio-Honig drauf an, wie der Imker seine Bienen hält. Und das macht auch schon eine ganze Menge aus. In der Haltung unserer eigenen Bienenstöcke übererfüllen wir aber momentan sowieso fast alle Standards, die man für die Bio-Zertifizierung eigentlich bräuchte.
Zum Beispiel?
Unter anderem dank der wunderbaren Bienenweiden: Unsere Bienen haben hier in der Gegend durch die umliegende Biolandwirtschaft einen sehr günstigen Flugradius. Es ist auch unser großes Glück, dass wir einen Großteil der Bienenstöcke hoch oben auf pestizidfreien Almen und extensiven Bergwiesen aufstellen können. In Tirol, mit seinen einsamen Tälern, haben wir Imker es da schon viel leichter als die Kollegen im Osten. Ein Bio-Imker, der seine Stöcke in der Nähe von konventionellen Äckern stehen hat, kann ja nur schlecht kontrollieren, wo die Biene genau hinfliegt.
Warum lohnt sich Bio-Honig trotzdem?
Der wichtigste Unterschied für die Kunden ist sicherlich, dass wir die Gesundheit der Bienen durch unsere Erfahrung und unser beherztes Eingreifen fördern – Bienengesundheit ist ein komplexes Thema und nicht mit Medikamenten zu lösen. Die Bienen konnten sich zum Glück trotz menschlicher Eingriffe ein grandioses Selbstheilungspotenzial bewahren, das wir als Bio-Imker zulassen und beachten.
Werden denn auch Antibiotika eingesetzt in der konventionellen Imkerei?
Aber klar! In Amerika ist das komplett normal, das stellt überhaupt niemand in Frage. Hast du mal den Film „More than Honey“ (Deutscher Titel: Bitterer Honig) gesehen? Die Antibiotika werden vorbeugend ins Futter gegeben, der Imker im Film hat nicht die geringste Scham, das vor der Kamera zu machen. Wir alle müssen uns dann aber irgendwann damit rumschlagen, dass Krankheitserreger gegen Antibiotika resistent werden.
Honigproduktion ist mittlerweile auch ein globales Geschäft, es werden sogar die Bienen vom anderen Ende der Welt hierher importiert. Und Manuka-Honig aus Neuseeland ist sogar bei Bio-Kunden total beliebt. Warum sollte ich trotzdem heimischen Honig kaufen?
Vor allem, um die Wertschöpfung im eigenen Land zu lassen. Und damit meine ich nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch das, was unsere Bienen zur Landschaft beitragen – die ganze kostenlose Bestäubung. Ohne die würde Tirol ganz anders aussehen. Wir Imker finanzieren diese Leistung für die Allgemeinheit ja nur über unseren Honig. Ich kann daher auch nicht nur drei, vier Bienenvölker halten, sondern habe schon 350 mit jeweils bis zu 60.000 Bienen. Und ich muss trotzdem noch rechnen und einen fairen Preis für meinen Honig nehmen, wenn ich überleben will. Dafür stelle ich mich auch persönlich auf den Markt und erkläre meinen Kunden, wie wir die Bienen behandeln. Das ist den meisten ganz wichtig, die wollen direkt mit dem Imker sprechen.
Und geht es Bio-Bienen denn anders als konventionellen?
Natürlich, die Tierwohl-Diskussion wird immer stärker geführt. Ich möchte als überzeugter Bio-Imker dabei ein Wörtchen mitreden und die Entwicklung mitgestalten. Es geht zum Beispiel darum, wie die Kästen gebaut sein sollten, damit die Tiere darin artgerecht leben können. Auch in dem Punkt schießen wir mit unseren selbstgebauten Kästen aus der eigenen, ökologischen Forstwirtschaft schon längst übers Ziel hinaus. Denn im normalen Bio-Standard heißt es nur, dass man kein Styropor benutzen darf und mindestens zehn Prozent Naturwabenbau gewährleisten muss. Wir haben aber, wegen unserer extensiven Bienenhaltung auch ein entsprechendes „Beutensystem“, das viel flexibler ist.
Und welchen Vorteil bietet das?
Die Bienenvölker haben sehr viel Freiraum, um den Wabenbau und die Vorräte nach ihren Bedürfnissen anzulegen. Das ist auch gut für mich: Wenn das Wetter sich schnell ändert, aber das Gewicht des Stocks ok ist, brauche ich zum Beispiel trotzdem nichts zu machen, weil die Tiere sich selbst darauf einstellen können.
Woher weißt du eigentlich, wie man mit Bienen umgehen muss?
Imkerei ist eine Erfahrungswissenschaft, keine Buchwissenschaft. Ich habe ja als gelernter Maschinenbauingenieur fast von heute auf morgen die Stöcke eines verstorbenen Imkers übernommen, darum musste ich mir das schnell aneignen. Zum Glück hatte ich aber über die Jahre schon einige Mentoren, zum Beispiel einen sehr erfahrenen Imker, von dem ich immer noch Bienen halte, weil sie einfach insgesamt so perfekt geeignet sind. Sie produzieren zwar weniger Honigerträge, sind dafür aber vom Charakter her sanftmütig und genau für unser Klima geeignet. Du merkst: All solche Dinge muss man als Imker abwägen.
Was hältst du denn von dem Hype, der momentan um die Imkerei betrieben wird? Immer mehr Privatleute wollen selbst Bienen halten, ist das eine gute Sache?
Bei aller Liebe zu den Bienen: Man sollte sich das reiflich überlegen. Allein, was man an Material und Platz braucht. Eine Schleuder braucht man ja, egal ob man eines oder hundert Bienenvölker hält. Und was fängst du dann mit dem Wachs an? Wer gerne mit Bienen leben möchte, kann das auch tun, ohne das alles selbst anzuschaffen: Sprich’ doch einen Imker an und biete ihm einen Stellplatz für seine Bienenstöcke an, er wird sich freuen und im Gegenzug etwas von seinem Honig dalassen.
Imkern ist eine Lebensaufgabe?
Imkerei ist in meinen Augen jedenfalls etwas, was man mit voller Konsequenz betreiben muss. Wie man Honig macht, kann man schon lernen. Aber die Biene wirklich zu verstehen, das ist mit jahrelanger Beobachtung und Arbeit verbunden. Einfach mal eine Woche wegbleiben? Ist gar nicht so einfach, weil dieses Know-how kaum einer ersetzen kann. Heuer war wieder mal so ein besonderes Honigjahr: Wäre das nicht gewesen, hätte ich so Vieles nicht erfahren über die Bienen.
Über den Imker
Bernhard Bichler und seine Frau Angelika leben mit ihren drei Söhnen und tausenden Bienen am Fuße des Kaisergebirges, in Rettenschöss. In der Honig-Hochsaison ist der passionierte Bio-Imker fast in jeder wachen Stunde bei den Bienen. Auf ihren Almrosen-Cremehonig sind die beiden besonders stolz, denn so cremig sei der nur schwer zu bekommen. „Tirol ist ein wunderbares Honigland“, findet Bernhard. Und daran haben auch die Bichlers ihren Anteil.
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